Klappern gehört dazu: Wie das Stricken wieder in Fahrt kommt
Stricken? So mit Wolle und Stricknadel? Das gibt’s noch? Ja, heißt die eindeutige Antwort. Und längst sind es nicht mehr nur die Omas, die im Ohrensessel sitzen und stricken. Heute kreuzen immer mehr Menschen die Nadeln und erschaffen dabei mehr als nur Schals und Pullover. Stricken ist in wie nie. Und doch irgendwie ganz anders.
Viele Jahre war es still um eines der weitverbreitetsten Hobbys hierzulande: das Stricken. Während in den 70er-Jahren fast jede Frau (sorry, Männer hatten in dieser Sache nichts zu melden) mit Wolle und Stricknadeln anzutreffen war, ebbte die Begeisterung nach und nach ab. Die bekannten Wollläden an jeder Ecke verschwanden auch aus dem Düsseldorfer Stadtbild. Seit ein paar Jahren hat sich der Trend aber deutlich gewandelt. Stricken ist nicht nur in, Stricken ist mega-in. Das mag viele Gründe haben. Vielleicht sind die Zeiten einfach zu hektisch und die Menschen sehnen sich nach etwas, was entschleunigt. Da kommen Stricknadeln und Wolle genau richtig. Mehr entschleunigen geht schon fast nicht mehr. Es greift geradezu eine echte Woll-Lust um sich, die Menschen unterschiedlicher Couleur zusammenführt. Vor allem hat Stricken das Oma-Image abgelegt. Die Stricknadel vereint heute Frauen und Männer, Studentinnen und Geschäftsführer und Kreative. Sie alle hängen sprichwörtlich an der Nadel und können einfach nicht mehr aufhören.
Fragt man „Stricker“ warum sie zu Nadel und Wolle greifen, dann lautet in vielen Fällen die Antwort „Entspannung“. Und tatsächlich, das Klackern der Nadeln hat etwas Meditatives. Stricker fügen daher nicht nur Masche zu Masche, sondern blenden den Tagesstress einfach aus. Und das nicht nur allein im stillen Kämmerlein, sondern vornehmlich in einer Gruppe. Auch in Düsseldorf gibt es mittlerweile etliche Orte, an denen Menschen gemeinsam stricken. Beispielsweise die Strick-Bar in der Oberrather Straße 17. Und ja – der Name ist Programm. Inhaberin Maddy Hoffleit selbst ist der Beweis, dass Stricken auch junge Menschen interessiert. Sie war 31, als sie im Mai 2013 aus ihrem Hobby ein Geschäft gemacht hat. Und wer sie zwischen Wolle, Stricknadeln und sonstigem Strickzubehör in ihrem Laden erlebt, der merkt: Diese Frau hat eine Mission.
Keine Sorge – Wolle kommt nach wie vor von den Schafen. Aber im Fall von Maddy Hoffleit übertrug ein Schwein den Strickvirus. „Ich entdeckte damals die alte Strickanleitung meiner Mutter für ein Wollschwein“, erklärt die heute 34-Jährige in einem Interview. „Ich hatte zwar in der Schulzeit das Stricken gelernt, es dann aber wieder Jahre lang ruhen lassen.“ Hoffleit griff trotzdem zu Nadel und Wollfaden und strickte das rote Schwein. Als sie es fertig hatte, wollten plötzlich alle im Freundeskreis ein solches Stricktier. Der Grundstein für ihr Geschäft war gelegt. Heute gibt es in ihrem Laden alles, was fürs Stricken gebraucht wird: Wolle, Stricknadeln und Zubehör. Gerade bei der Wolle schaut sie auf die Themen Nachhaltigkeit und Natürlichkeit und hat ihr Sortiment dahin gehend umgestellt. Hoffleit ist natürlich Expertin, wenn es ums Stricken selbst geht. „Ich habe mir das meiste selbst erarbeitet und kann es daher erklären und weitergeben. Ich kenne die Tücken der Anleitungen und die Stolperfallen, an denen man allein oft zu scheitern droht, weil es sich zu kompliziert anhört!“, sagt die Herrin über etliche Knäuel Wolle. Übrigens: Wer keine Ahnung vom Stricken hat, ist bei ihr auch an der richtigen Adresse. Regelmäßig führt sie Neulinge ins Stricken ein. Ihre Strickkurse sind beliebt, auch bei erfahrenen Strickern. „Jeder strickt anders, das zeigt sich vor allem bei der Wollmenge!“, sagt sie.
Sie sollten eine Strickmütze tragen, weil sie einfach schick ist. Nicht, weil die Heizung schwächelt. Wenn die Heizung aber nicht mehr so kann, wie sie soll, helfen wir weiter.
Die Woll-Lust hat längst solche Läden wie den von Maddy Hoffleit verlassen und den öffentlichen Raum erreicht. Die coole Masche – verzeihen Sie uns das Wortspiel – heißt Guerilla Knitting. Dahinter steckt eine Spielart von Streetart, sozusagen Graffiti aus Garnen. Vom woll-lüstigen Zitat an überraschendem Ort bis zum kompletten Umgarnen von Stadtmöbeln oder Baumstämmen ist alles möglich. Und erlaubt. In Düsseldorf nahmen sich die Nadelkünstler die U-Bahn-Baustelle Wehrhahn-Linie vor – in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Plötzlich war ein dickes Rohr am Prachtboulevard Königsallee komplett mit buntem Strick umringelt. Die lokale Presse berichtete in
Hinter diesem Wollanschlag steckte das soziale Start-up www.myoma.de. Wer bei Start-up immer an Hightech denkt, liegt in diesem Fall falsch. Das Ziel des Unternehmens: Maschenware statt Massenware. Gewünschter Nebeneffekt: Mit dem sozialen Projekt möchten die Gründer die ältere Generation unterstützen und ihnen eine Aufgabe geben, die Spaß macht und gleichzeitig die Rente aufbessert. Wer auf der Webseite landet, hat dort die Qual der Wahl. Nicht nur, was er denn gestrickt haben möchte, sondern auch, wer es denn stricken soll. Denn jedes verkaufte Produkt ist ein Unikat und entsteht in Handarbeit. Damit die Kunden nicht zu lange auf beispielsweise Mütze, Pullover oder Schal warten, stricken 92 Omas und ein Opa, was das Zeug hält. Wobei die Philosophie des Unternehmens ist, dass jeder nur so viel strickt, wie er möchte. Der Erfolg gibt dem Unternehmen recht – Selbstgestricktes ist in. Zu den Kunden gehören nicht nur (Achtung Klischee!) Alternative, sondern eben auch der Geschäftsmann steht auf Strick.
Sie haben es gelesen – Stricken ist in. Wer jetzt noch nicht davon überzeugt ist, dass der Umgang mit Nadel und Faden auch etwas für ihn selbst sein könnte – hier fünf weitere Argumente.
1. Stream & Strick
Nach einem anstrengenden Arbeitstag brauchen Körper und Geist erst einmal Pause. Sich vor das Fernsehen zu setzen, ist sicherlich eine Möglichkeit. Dabei aber Nadel und Faden zur Hand zu nehmen, ist die viel bessere. Das erdet nicht nur, sondern entspannt auch noch nachweislich die Muskeln.
2. Die Angst vor der ersten Masche
Stricken ist keine Raketenwissenschaft. Wer noch nie Strickzeug in der Hand gehabt hat, sollte einfach einen Kurs besuchen oder sich im Internet ein Erklärvideo beispielsweise auf YouTube anschauen. Wenn das alles nicht weiterhilft – Strickläden wie die Strick-Bar stehen mit Expertenrat zur Seite.
3. Mode aus der eigenen Nadel
Wer einigermaßen mit Nadel und Faden umzugehen weiß, kann sich selbst eine eigene Modelinie stricken. Das muss in manchen Fällen gar nicht so aussehen, wie auf dem heimischen Sofa entstanden. Je nach Garn und Maschengröße stellen erfahrene Stricker tolle Unikate her, die auch Mode-Gurus gefallen.
4. Stricken Sie sich ein Geschenk
Sogar Anfänger:innen können aus einem Wollknäuel ein schickes Accessoire zaubern. Das ist nicht nur für den eigenen Kleiderschrank eine Bereicherung, sondern auch für Freunde und Familie.
5. Fit durchs Stricken
Mit Stricken wird ein Traum wahr: Auf der Couch Kalorien verbrennen. Das ist kein Witz! Tatsächlich verbraucht der Körper beim Stricken durchschnittlich 110 Kalorien pro Stunde. Sicherlich kein Spitzenwert, aber immerhin besser als nur faul rumzuliegen.
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