
Düsseldorf neu denken
Ein Gespräch über Immobilienkonzepte der Zukunft mit Dr. Werner Fliescher von Haus & Grund

Hoch oben im Stadttor, mit bestem Blick über die Dächer des Zukunftsviertels Unterbilk | Friedrichstadt, haben wir uns mit Dr. Werner Fliescher, dem Vorstand des „Haus & Grund Düsseldorf und Umgebung e. V.“ getroffen. Im Gespräch gibt er Ihnen und uns einen Ausblick auf die Themen, die die städtische Lebensqualität in der Zukunft prägen werden.
Was ist das Zukunftsviertel?
Die Stadt Düsseldorf hat sich das Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden. Dazu leisten die Stadtwerke Düsseldorf schon heute wichtige Beiträge. Im Zukunftsviertel Unterbilk | Friedrichstadt werden gemeinsam mit den Bewohnern auf fünf Gebieten zukunftsweisende Technologien getestet, von denen später die ganze Stadt profitieren soll.
1. Smarte Infrastruktur
Höhere Effizienz durch Digitalisierung – z. B. intelligente Straßenlaternen, die von den Lichtverhältnissen gesteuert werden.
2. Neue Mobilitätslösungen
Verknüpft mit ÖPNV und Carsharing – von Schnellladesäulen für E-Autos bis zu Mobilitätsstationen für E-Scooter und Fahrräder.
3. Dezentrale Energieversorgung
Bewohner stellen selbst Energie her – erneuerbar. Die neuesten Solarsysteme erzeugen Strom auf Dächern und sogar Hausfassaden.
4. Wärmefreundliche Energieversorgung
Fernwärme wird ausgebaut. Sie ist sicher, unkompliziert und klimafreundlich – und kann mit bestehenden Heizkörpern und -rohren genutzt werden.
5. Innovative Energieberatung
Energie sparen, ohne auf Komfort zu verzichten. Wir identifizieren gemeinsam mit den Bewohnern Einsparpotenziale und erarbeiten Lösungen nach Maß.
Fragen zur Zukunft des Wohnens – Antworten vom Immobilienprofi
Als Vereinsvorstand von „Haus & Grund Düsseldorf“ ist Dr. Werner Fliescher genau der richtige Gesprächspartner, wenn es um das Zukunftsviertel Unterbilk | Friedrichstadt geht. Zeit für ein Interview über urbane Lebensqualität.
Viele Hausbesitzer wollen herausfinden, welchen Beitrag sie zur Energiewende leisten können. Was empfehlen Sie ihnen?
Hauseigentümer sollten sich ihr Objekt ansehen und zunächst einmal mit einem Experten der Verbraucherzentrale oder der Stadtwerke, alternativ mit einem Energieberater (Link Energieberater) oder einem spezialisierten Architekten herausfinden, an welchen Stellen am sinnvollsten mit energiesparenden Maßnahmen begonnen werden kann. Hier empfiehlt sich beispielsweise die SAGA, die Serviceagentur für Altbausanierung, zu deren Netzwerkpartnern wir bereits seit deren Gründung im Jahre 2004 gehören. Die SAGA ist ein Verein der Verbraucherzentrale, der Stadt Düsseldorf und der Stadtwerke. Insbesondere wenn Fördermittel in Anspruch genommen werden, ist eine entsprechende Beratung ein Muss.

Welche Beratungsleistungen im Hinblick auf die Energiewende bieten Sie an?
Wir begleiten unsere Mitglieder mit Bauberatungen durch einen Architekten und einen vereidigten Sachverständigen. Darüber hinaus arbeiten wir mit der SAGA zusammen. Die dortigen Fachberater helfen bei Förderanträgen der Stadt Düsseldorf, der KfW und der BAFA. Wir selbst beraten unsere Mitglieder natürlich auch zu allen rechtlichen Themen rund um die Sanierung: Werkverträge und Mängel bei Bauleistungen, öffentliches Baurecht, mietrechtliche Themen bei Modernisierungen, Kaufverträge von Immobilien.
Können erneuerbare Energien Häuser und Wohnungen für den Immobilienmarkt attraktiver machen?
Eine gute Dämmung des Gebäudes ist ein deutlicher Komfortvorteil für die Nutzer und hilft nicht nur bei Kälte, sondern auch gegen die zunehmende sommerliche Hitze, die in Städten besonders hoch ist. Darüber hinaus werden die Energiekosten für fossile Energieträger zukünftig durch die Ökosteuer weiter steigen. Die aktuellen Pläne werden wahrscheinlich nur der erste Schritt für weitere Steuererhöhungen sein. Vor diesem Hintergrund senken Maßnahmen zur Gebäudedämmung wie auch die Umstellung des Heizsystems zukünftig die Heizkosten.
Darüber hinaus führen weniger Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger dazu, dass sich die Luftqualität in den Städten verbessert. Dadurch ist insgesamt eine Steigerung von Immobilienwerten möglich.
Wie wichtig wird der Faktor energieeffizientes Wohnen in Zukunft für potentielle Mieter sein?
Derzeit ist für die Mieter entscheidend, wie hoch die Heizkosten in einem Objekt sind. Eine gute Dämmung und die Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmegewinnung kann zu geringeren Heizkosten führen und damit zu einer attraktiven, niedrigen Nebenkostenvorauszahlung. In der Zukunft könnte ich mir vorstellen, dass der ökologische Fußabdruck eines Gebäudes bei der Entscheidung für eine Wohnung durchaus eine Rolle spielen wird.

Wie gefällt Ihnen das Modellprojekt Zukunftsviertel der Stadtwerke Düsseldorf?
Der vor den Stadtwerken gewählte Quartieransatz ist meiner Meinung nach hervorragend geeignet, um das Thema Energieeffizienz, Digitalisierung bei der Energieversorgung, energetische Sanierung von Gebäuden und erneuerbare Energien in den Köpfen der Anwohner zu verankern. Mit der Fokussierung auf ein Quartier geben die Stadtwerke allen Beteiligten die Möglichkeit, die Effektivität und den Erfolg der Maßnahmen vor Ort zu überprüfen.
Haben Sie selbst schon auf erneuerbare Energien umgestellt? Falls ja, was sind Ihre persönlichen Erfahrungen?
Ich selbst bewohne ein Haus, das mit einer Wärmepumpe beheizt wird und eine Photovoltaikanlage hat. Ich habe durchweg positive Erfahrungen gemacht. Die Heizkosten und Warmwassererwärmungskosten sind sehr gering, die Zugerscheinungen an den gut isolierten Scheiben und Wänden sind gleich Null, was einen erheblichen Komfortgewinn darstellt. Die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sorgt ständig für frische Luft, die schon erwärmt ist, und die auf dem Dach montierte Photovoltaikanlage erzeugt mehr Strom, als wir zum Heizen und für den Haushalt benötigen.
Welche Herausforderungen gibt es für Eigentümer aktuell im Hinblick auf die Energiewende?
Der Immobiliensektor ist der einzige Sektor, der bereits 2014 – nach Berechnungen des Umweltbundesamtes – die geplanten CO2-Einsparungen für 2020 (40 % bezogen auf 1990) übertroffen hat. Dies war eine Kraftanstrengung, die Eigentümer und Mieter gemeinsam gestemmt haben.
Einen klimaneutralen Gebäudebestand wird man zudem nicht zum Nulltarif erhalten können. Zusätzlich bestehen derzeit Probleme, geeignete Fachhandwerker zu finden. Die Wartezeiten sind lang. Und im Mietrecht muss es in Hinblick auf Modernisierungen Verbesserungen geben wie etwa die Korrektur von Fehlern beim Ausspruch von Modernisierungsmieterhöhungen.
Aber: Eine vorbildliche energetische Sanierung sorgt für nachhaltige Wertsteigerung und erleichtert auf jeden Fall den Verkauf einer Immobilie.

Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Zukunftsthemen?
Ein zentrales Thema ist die sommerliche Hitze in der Stadt und der Schutz davor. Wesentlich ist aber auch der Erhalt eines liebens- und lebenswerten Düsseldorfs mit seinen etablierten Strukturen in den Stadtteilen bei gleichzeitigem Wachstum der Stadt.
Nachhaltigeres Bauen mit innovativen Baustoffen, die besser recycelt werden können und die bei der Produktion weniger CO2 verursachen, ist ebenso wichtig. Genauso wie die Senkung der Baukosten – durch das Abschaffen von Bürokratie und überflüssigen Vorschriften.
Ein Wort zur Energiewende?
Ich vertraue da sehr auf die Menschen in Deutschland und die Immobilieneigentümer, die schon jetzt viel erreicht haben. Das ganze Thema Energiewende sollten wir mit Vernunft und rationalem Handeln angehen. Hysterie ist fehl am Platz, zumal noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist. Eine Energiewende gelingt nur, wenn wir alle dauerhaft und stetig an dem Thema arbeiten. Dies gilt speziell für Gebäude, bei denen der Lebenszyklus der Bauteile sehr lang ist.